Audioguide Weingarten

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Albert Wurnig

 

 

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Weingarten Anfang der 60er Jahre

noten1966
– Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum

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notenLeben auf der Baustelle
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noten„Dann habe ich hier die Füße ausgestreckt“
– Ankommen nach turbulenten Jahren

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Wohnen

notenKommunikationsort Fahrstuhl
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notenAusblick vom Balkon
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Mit Albert Wurnig zum Dietenbachsee:

notenNeubauten und teure Mieten
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notenDer Dietenbach
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notenDer Kinderspielplatz
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notenDer Dirt-Park
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notenDer See
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Textfassung der Audiodateien

„Ich habe meine Füße ausgestreckt in Weingarten und habe hier ein Zuhause gefunden!“

Albert Wurnig

… wurde Ende der 30er Jahre in Freiburg geboren und lebt seit 1966 in Weingarten. Er erzählt in dem Interview davon, wie Weingarten nach den Wirren des Krieges, häufigen Umzügen und bescheidenen Wohnverhältnissen in der Nachkriegszeit zu dem Ort wurde, an dem er mit seiner Familie ankam und ein Zuhause fand.

Mein Name ist Albert Wurnig. Ich wohne seit 1966 in Weingarten und fühle mich eigentlich hier sehr wohl. Wir waren damals ein junges Ehepaar und hatten uns bei der Wohnungssiedlung um eine Wohnung beworben. Ich freute mich, dass ich die Zuteilung bekam und konnte dann im Oktober 1966 in eine 2-Zimmer-Wohnung einziehen. Später bin ich dann umgezogen – in eine 3-Zimmer-Wohnung im gleichen Hause. Ich habe einen herrlichen Ausblick nach Osten und bin hier irgendwie sesshaft geworden.

„Such eine Wohnung!“

Wir hatten früher in der Kandelstraße gewohnt, im Hinterhaus – eine Art Baracke, 1-Zimmer-Wohnung mit Kochnische. Das war wirklich sehr beengt. Vorher hatte ich als Lediger allein für mich ein Zimmer und dann hatte ich geheiratet. Meine Frau hat noch in der Klinik gewohnt. Sie war in der Augenklinik in der Wonnhalde beschäftigt und konnte da auch übernachten. Das war ein Schwesternwohnheim mit Essen und Schlafgelegenheit. So war das praktisch: Sie wohnte außer Haus, ich wohnte außer Haus und jeder konnte während der Woche noch seine eigenen Wege gehen. Aber das Kind war schon da! Die Oma, der Opa, irgendwer hat sich immer wieder um dieses Kind gekümmert. Erst als wir dann diese separate 1-Zimmer-Wohnung bekommen haben, konnte sich meine Frau um das Kind kümmern.

Bewertet habe ich dieses Weingarten damals gar nicht. Für uns als junge Familie war es wichtig, überhaupt eine Wohnung zu bekommen. Wir haben uns nicht nur über das Amt beworben, sondern ich hatte auch privat nach Wohnungen gesucht.Und meine Frau saß mir im sogenannten Nacken: Mensch Mann – such eine Wohnung! Ich war dann glücklich, dass das geklappt hat und Weingarten war im Grunde egal.

Das Problem drehte sich nicht nur um bezahlbaren Wohnraum. Man muss sich auch mal fragen, was man damals verdient hat. Ich habe zu der Zeit 350 DM verdient. Wenn ich dann noch 200 Miete zahlen muss, bleibt zum Leben nicht mehr viel übrig. Ich war in einem Büro bei einer Spedition als ganz einfacher Büroangestellter, ich war kein gelernter Speditionskaufmann, das war ich dann erst später. Es ist also früher nicht besser gewesen als heute.

Einziehen in eine Baustelle

1966 war dieses Stadtviertel eine einzige Baustelle und ich bin in eine Baustelle eingezogen. Dieses Haus wurde von oben nach unten gebaut. Von oben sind sie eingezogen und unten waren noch überall die Handwerker drin. Die kleinen Vorbauten waren noch nicht da, das Einkaufszentrum und die Kirche standen noch nicht.

Das Einziehen war eigentlich ganz lustig. Die Sicherungen waren nicht immer konstant, die flogen oft raus und Wasser und Strom gab es auch nicht immer. Da haben sich die Neueinzieher zusammengetan und so wurden auch die ersten Kontakte innerhalb des Hauses gepflegt. Ich fand das sehr nett. Die Leute haben einen Zusammenhalt gebraucht und auch gefunden. Heute leben nur noch zwei Familien hier, die damals mit eingezogen sind. Alle anderen sind entweder ausgezogen oder ausgestorben. So hat sich das gelichtet.

Mein Sohn wurde hier eingeschult und hat hier seine neun Jahre Schule gemacht. Danach hat er Friedhofsgärtner gelernt und eine Stelle an der Uniklinik in der Gärtnerei gekriegt. Da ist er seit dem. Ich habe letztens mal seinen Gehaltszettel gesehen, da hab ich gesagt: „Dir geht’s besser als deinem Vater!“
Meine Frau ist erst ein bisschen zuhause geblieben und hat dann bei Foto-Stober und in der Rhodia unten gearbeitet. Dann hat sie eine Stelle bei Herti bekommen. Da hat sie sich hochgearbeitet. Sie war ja keine gelernte Verkäuferin. Sie war erst am Packtisch, dann am Richten und dann hat sie sich Stück für Stück nach oben gearbeitet bis sie offizielle Verkäuferin war. Sie wurde auch tariflich als Verkäuferin bezahlt. Da bin ich heute noch stolz drauf.

See Bank
Der Dietenbachsee ist Albert Wurnigs Lieblingsort. Heute sitzt er am
liebsten auf einem Bänkchen und schaut auf den See

Ankommen

Die Kontakte im Haus sind gut. Man sieht das auch: Wer neu hinzuzieht, kriegt immer gleich wieder Kontakt. Auch untereinander, nicht nur mit uns. Die unterhalten sich wirklich, du merkst, sie haben Kontakt.

Ich habe hier gegenüber Bekannte – die kommen her, wir gehen rüber... wir sind ein Herz und eine Seele. Oder wir räumen mal bei irgendwelchen Bekannten aus oder machen sonst was. Man unterstützt sich gegenseitig. Meine Nachbarin konnte nur noch schlecht einkaufen, also haben wir für sie eingekauft und Sachen gerichtet. Ich habe sie in die Klinik gefahren und während sie dort war, haben wir die Wohnung geputzt. Schräg gegenüber lebt ein Paar aus Jugoslawien, die Kinder sind hier aufgewachsen. Die Dame kommt zu uns, wir kommen zu ihr. Wenn sie Papierkram von einer Behörde hat, fülle ich das aus. Andersrum macht sie mir die Wohnung, wenn ich im Urlaub bin. Ihr jugoslawischer Name übersetzt heißt Maiglöckle.

Ich war froh, irgendwo in Freiburg sesshaft geworden zu sein. Ich wurde in Freiburg ausgebombt, bin wegen des Krieges von Freiburg weg, wieder zurückgezogen und hab dann nachher auch als Einzelperson in verschiedenen Stadtteilen gewohnt. Da war ich dann froh, irgendwo anzukommen.

Der Bombenangriff auf Freiburg war 1944 und wir waren mittendrin – am Fahnenbergplatz. Da, wo jetzt dieses neue Restaurant mit Selbstbedienung ist – genau da an der Ecke habe ich gewohnt. Wir haben im 3. Stock gewohnt und wir sind grundsätzlich nie in den Keller gegangen. Auch nicht bei Vollalarm. An dem Tag war nur Voralarm, aber nachdem wir die erste Bombe gehört haben sind wir schnell in den Keller runter – drei Kinder und die Mutti. Und das Haus wurde zerstört. Wir hatten gerade noch zwei Koffer mit Kleidung. Sonst nichts. Das war lustig, wie schnell das geht... Das war abends um halb acht. Aber wir hatten Glück. Leute aus der Mozartstraße, die unterwegs zum Bahnhof waren, sind bei uns in den Keller. Die haben uns dann mit zu sich genommen und da konnten wir übernachten. Dann haben wir 14 Tage bei Bekannten in Kirchzarten gewohnt, bevor wir nach Ulm zu den Schwiegereltern gezogen sind. In Ulm war dann der nächste Angriff und dann sind wir aufs Land gezogen, nach Kirchberg an der Eller. Da habe ich vier Jahre gewohnt. Als Bub war das die schönste Zeit. Als Stadtkind hatte ich keine Ahnung wie es auf dem Land zugeht! Ich kannte nicht mal einen Kartoffelkäfer, geschweige denn, wo Kartoffeln wachsen. Als der Vater aus der Gefangenschaft gekommen ist, sind wir zurück nach Freiburg gezogen. Da habe ich erst in Littenweiler gewohnt, dann in Zähringen, dann im Zehnsteinweg. Also ich bin in Freiburg ganz schön herum gekommen. Deshalb bin ich jetzt hier zufrieden und will meine Tage hier auch beschließen, weil mein Bekanntenkreis hier groß ist.

Ich bin auch kirchlich engagiert und nachdem die eigene Kirche dann vor der Haustür war, musste ich nicht mehr nach Haslach hoch, sondern habe mich hier in St. Andreas kirchlich integriert. Und so habe ich meine Füße ausgestreckt in Weingarten. Ich habe hier ein Zuhause gefunden. Ich mache Sozialarbeit hier, geh rüber ins Altenheim, fahr die Alten in die Kirche und bin da auch als Lektor tätig. Man muss sich ein bisschen engagieren und dann lernt man auch Leute kennen. Und wenn man Leute kennt, kriegt man hier und da mal Vorteile. Ich fühle mich zufrieden.

Natürlich, in Littenweiler gibt’s nie Nebel. Hier unten lebt man mal im Nebel im Winter! Wenn hier in Weingarten Nebel ist und Sie fahren Richtung Osten, hört ab der Kronenbrücke der Nebel auf. Allerdings ist es in Littenweiler 4°C kälter als hier!

Das Interview führte Anna Trautwein am 17.3.2012

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