Audioguide Weingarten

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Halfpipe

 

 

Lotte Birgel
Marion Jontofsohn
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Niglo Reinhardt
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Orte in Weingarten

notenDas sind so die Orte – Jugendtreffpunkte
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notenOffen für Alle? - Wer hockt mit wem?
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notenLieblingsort: See
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notenNur Assis und Verbrecher – Vorurteile
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Der Auggener Weg

notenDas ist für mich der Sintiplatz
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notenIch fin'd in Ordnung,
dass nur wir Sintis dort leben

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notenIm Sommer
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notenWir waren viel miteinander unterwegs
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notenDie Haus-Weingarten-Schule
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notenWegziehen?
Im allerschlimmsten Notfall nach St. Georgen

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Textfassung der Audiodateien

„Im allerschlimmsten Notfall
würde ich nach St. Georgen ziehen“

Niglo Reinhardt

… wurde 1991 in Freiburg geboren, wuchs im Auggener Weg auf und ging von der 1. bis zur 4. Klasse in die Haus-Weingarten-Schule, die für die Sinti-Gemeinde eingerichtet worden war und inzwischen geschlossen ist.
Im Interview erzählt er, an welchen Orten man welche Jugendlichen treffen kann, was für ihn „Sintiplatz“ bedeutet, von Vorurteilen, mit denen er konfrontiert wird und von dem schönen Gefühl, alle zu kennen und gekannt zu werden.

Ich heiße Michael, werde aber immer Niglo genannt. Den Spitznamen habe ich schon, seit ich auf der Welt bin. Das ist Altzigeunisch und heißt „Igel“. Meine Oma hat mir den gegeben, als ich auf die Welt gekommen bin. Warum weiß ich auch nicht genau, vielleicht weil ich eine Frisur hatte wie ein Igel.

Ich bin 21 und mit 20 zuhause ausgezogen, weil ich nicht mehr daheim wohnen wollte. Erstmal bin ich zu meiner Freundin nach Haslach gezogen, aber suche auch nach einer eigenen Wohnung in Haslach oder Weingarten. Mein größter Freundeskreis ist inzwischen in Haslach. Das weiteste, wo ich hin ziehen würde, ist St. Georgen. Aber auch nur im allerschlimmsten Notfall – wenn es da eine top Wohnung gibt und die Miete günstig ist. Aber sonst würde ich am liebsten in Weingarten, wo ich aufgewachsen bin und jeden kenne oder in Haslach wohnen. Aber weiter weg, raus aus Freiburg oder so, das würde ich nie machen!

Jugend-Orte

In Weingarten gibt’s den Jugendtreff, der ist neben der Adolf-Reichwein-Schule. Da hängt auch ein Basketballkorb und da sitzen die meisten Jugendlichen, weil man da eben Sport machen kann. Dann sitzen auch viele am Rewe, da an der Bugginger-Haltestelle und dann noch beim Abenteuerspielplatz, an der Halfpipe hinten am See. Da fahren auch viele aus dem Rieselfeld an der Halfpipe rum, aber wir hocken da am Pavillon und gucken ihnen beim scaten zu. Die meisten, die ich kenne, interessieren sich nicht so für scaten und ich auch nicht. Aber das sind die Orte, an denen die Jugendlichen sich treffen.

Wenn man da hin geht, sind da meistens Leute. Halfpipe AusschnittEs kann auch mal sein, dass keiner da ist, dann geht man zum nächsten und da sind dann wieder welche. Die Leute da, die kennen sich, weil die meisten zusammen aufgewachsen und in Weingarten in die gleiche Schule gegangen sind. Diejenigen, die zugezogen sind, lernt man schnell kennen, denn Weingarten ist nicht so arg groß, da läuft man jedem zwei oder drei Mal über'n Weg und dann hat man sich angefreundet.

Wir treffen uns nach der Schule oder nach der Arbeit. Im Sommer kaufen wir Grillfleisch, gehen an den See grillen und am Wochenende holen wir uns was zu trinken und machen Feuer am See oder an der Pipe –  miteinander reden, Spaß haben, Musik hören, ein bisschen was trinken, grillen. Eben so die Freizeit gestalten miteinander.

Treffpunkt Halfpipe

Am See bin ich echt gern, weil da viel Natur ist, man hat viel Platz zum Fußball spielen und zum Grillen. Auch tagsüber wenn man da spazieren läuft, sieht man Blumen und all so was – ist Bombe da!

Jetzt ist alles offen für alle

Richtige Gangs gibt es nicht. Aber die Sintis hocken mehr mit den Sintis zusammen, die Türken mit den Türken und die Russen mit den Russen. Alle hocken für sich. Aber ich habe auch Türken und Russen als Freunde und die hocken auch bei mir rum. Es hängt auch von der Altersgruppe ab. Wir, mit über 20, sind jetzt fast erwachsen und machen nicht mehr solche Unterscheidungen. Die Jugendlichen mit 15, 14, die denken noch: „Das sind die Türken, mit denen machen wir nichts, wir bleiben unter uns.“ Damals als ich 15 war, war ich auch nur mit Sintis oder mit Deutschen zusammen. Aber mit der Zeit ändert man sich: du lernst ja neue Leute kennen und willst auch neue Leute kennen lernen. Es rennen ja genug Türken und Russen in Weingarten rum und die sind auch nett, mit denen habe ich keinen Stress. Das lernt man mit der Zeit, dass das eigentlich unnötig ist.

Damals als ich kleiner war, so mit 15, da waren eben der Rewe und der See unser Gebiet. Die Türken waren da zwischen den Häuserblocks und die Russen an der Dreisam. Da sind wir dann auch nicht hin, weil wir haben gewusst: Da sind die und wenn wir da hin kommen, dann gibt’s Stress und Schlägerei und so Zeug. Aber ich denke nicht, dass es noch so ist. Jetzt ist jeder verstreut und hockt jeder miteinander. Eigentlich ist jetzt alles offen für alle.

Treffpunkt Rewe Treffpunkt Rewe

„Nur Assis und Verbrecher“

Wenn ich sage, ich komme aus Weingarten, dann kommt schnell das Vorurteil: Da sind nur Assis und Verbrecher und so. Aber das ist nicht so. Ich bin kein Verbrecher. Ich hab ganz normal Schule gemacht und all den Kram. Aber nicht alle denken so. Es gibt halt Vorurteile, und damit muss man leben. Wenn sich einer seine Meinung gebildet hat, da kann ich nicht dagegen gehen. Ich kann's sagen oder erklären, dass es anders ist, dass wir ganz normale Leute sind und gesittet und respektvoll miteinander umgehen. Aber wenn die das nicht verstehen, weiß ich auch nicht.

Wenn ich weggehen will, dann merk ich auch die Vorurteile gegen uns Sinti. In die Diskotheken komm ich meistens nicht rein, weil ich Reinhardt heiß. Wenn sie den Namen Reinhardt hören, meinen sie schon zu wissen, da gibt’s Ärger, da gibt’s Stress. Wenn noch zwei andere Reinhardts mitkommen und wenn der Stress hat, dann kommen die anderen und ruckzuck ist einer angerufen, behaupten die dann immer. Aber ich habe mich in meinem Leben vielleicht zwei Mal geschlagen, ich bin keiner, der Stress macht, aus dem Alter bin ich raus.

Der Auggener Weg

Platz bedeutet für mich einfach der Sintiplatz, wo unsere Gegend ist, wo die meisten Sintis wohnen. Das ist der Auggener Weg, denn wenn man da rein fährt kann man nach hinten, nach links oder nach rechts. Das ist für mich wie ein Platz halt. Und da wohnen fast nur Sintis, es gibt zwei oder drei Deutsche, die da auch wohnen. Für mich ist es positiv, es gibt nichts Negatives an dem Wort Platz.

Wenn es warm ist, sind im Auggener Weg die meisten immer draußen. Das sind ja Reihenhäuser und die Höfe gehen auf die Straße raus. Und da hocken dann die meisten Sintis, machen Feuer, reden miteinander oder sitzen einfach nur da. Wir haben ja auch einen Sportplatz und da sitzen die dann und machen Feste im Sommer, feiern Geburtstage und Hochzeiten. Auf den Festen sind viele Leute. Da wird ein großes Zelt oder ein Pavillon aufgestellt und dann wird gegrillt, getrunken, ein großes Feuer gemacht, Musik laufen gelassen, getanzt, gesungen, auf den Instrumenten gespielt... Das ist dann schön und spannend und macht sehr viel Spaß.

Dietenbach Fahrrad
Niglo ist gern am Dietenbachsee

Die Leute im Auggener Weg sind nett, mit denen kann man sich unterhalten, wenn man sie was fragt, dann geben die auch Antworten und pöbeln dich nicht an oder so.

Die meisten leben so wie eine Großfamilie. Mit denen, die bei meinen Eltern in der gleichen Reihe wohnen, verstehen wir uns gut und besonders mit meinen engeren Verwandten – Onkel, Cousin und so – macht es echt Spaß. Es gibt auch Sintis, die sich nicht gut verstehen, die eine andere Meinung haben und sich nicht sehen können, aber da wird kein großes Drama drum gemacht. Wenn einer dem anderen nicht schmecken kann, dann lässt man's halt und gibt sich nicht mit dem ab. Da kann man nichts machen, es muss ja nicht jeder Mensch gleich sein.

Damals als ich Kind war, war ich immer mit den anderen Kindern zusammen, mit denen ich in den Kindergarten gegangen bin. Wir haben uns danach draußen getroffen, der Platz ist ja nicht so groß.  Manchmal sind wir auch mal zu Fünft oder Sechst zu einem anderen heim gegangen und haben da gegessen. Da waren wir eben viel miteinander und haben viel unternommen als kleine Kinder.

Da wo meine Eltern vorher gewohnt haben, habe ich über meinem Klassenkamerad gewohnt. Da war es auch selbstverständlich dass ich nach dem Kindergarten zu ihm runter bin, ich konnte einfach rein – „Niglo bist auch schon da, wir haben auf dich gewartet mit dem Essen“...Das war Gang und Gebe, dass wir überall hin konnten und mitessen.

Ich finde das in Ordnung, dass nur wir Sintis da wohnen. Ich bin so aufgewachsen und kenn's halt nicht anders. Wenn ich jetzt normal aufgewachsen wäre mit Russen,Türken oder Chinesen als Nachbarn, würde ich das wahrscheinlich auch nicht schlimm finden. Aber ich kenne es halt nur so und kann es mir nicht anders vorstellen. Aber es wohnen ja noch zwei drei Deutsche im Auggener Weg und die verstehen sich auch top. Die leben auch so wie wir und die kennt man halt auch schon seit Jahren, seit der Kindheit.

Haus-Weingarten-Schule

Ich war noch auf der Haus-Weingarten-Schule, ich glaube, ich war die letzte Generation. Danach gab's noch Abendschule für Ältere, die noch mal den Abschluss nachmachen wollten. Ich fand die Schule gut, sie war direkt neben dem Sintiplatz. Wir haben die Lehrer gekannt, die waren schon da, als meine Mutter noch zur Schule gegangen ist. Jeder kannte jeden und deshalb war es eigentlich super da. Das war eine ganz normale Schule: Wir hatten Mathe, Deutsch, Sport, Musik, Geschichte und so. In meiner Klasse waren nur meine Gleichaltrigen, in der Klasse meiner großen Schwester waren nur Kinder in ihrem Alter. Das war nur Grundschule, von der ersten bis zur vierten Klasse. Danach ist man dann auf die Haupt- oder Realschule gewechselt.

Nachbarschaftswerk
Hier war früher die Haus-Weingarten-Schule

Es sind auch ein paar Deutsche in die Schule gegangen, Kinder vom Lindenwäldle drüben, das ist ja gleich neben dem Sintiplatz. Da habe ich die dann kennen gelernt. Wir anderen haben uns schon vom Kindergarten her gekannt, der ist auch gleich neben der Schule. Deswegen war das schon gut: ich habe alle gekannt und die haben auch mich gekannt. Und auch die Deutschen waren in Ordnung, die haben genauso gelebt wie wir. War eigentlich top.

Das Interview führte Anna Trautwein am 4.07.12

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