Audioguide Weingarten

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notenVon Russland, über den Schwarz-
wald nach Weingarten

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notenMitmachen dürfen ist schwer
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Projekte

notenEin Computerkurs für Migrantinnen
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notenEine Märchen-Medienwerkstatt
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notenWas Zugehörigkeit bedeutet
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Textfassung der Audiodateien

Ich will mitmachen!“

Elena Khramtsova

wurde 1956 in Russland geboren. 2003 kam die studierte Mathematikerin und Informatikerin nach Deutschland und lebt seit Dezember 2004 in Weingarten. Als Medienpädagogin und Mediengestalterin mit Schwerpunkt “Einsatz von kreativen und künstlerischen Methoden in medienpädagogischer Arbeit mit Kindern“ hat sie an verschiedenen Projekten mitgewirkt. Ihr Medienprojekt mit der Anne-Frank-Schule Freiburg „Auf der Suche nach Wunder“ wurde mit dem Medienpädagogischen Preis 2009 ausgezeichnet.
Im Interview erzählt sie von einem steinigen Weg, beruflich in Deutschland Fuß zu fassen und sich zugehörig zu fühlen.

„Aus Russland, über den Schwarzwald nach Weingarten

Ich war mit meiner Tochter nach Deutschland gezogen – in ein kleines Dorf im Schwarzwald. Am Anfang habe ich mir gewünscht, meine Arbeit als Medienpädagogin und Kunstvermittlerin im Bildungsbereich fortzusetzen. Ich habe Mathematik und Informatik studiert. 19 Jahre lange habe ich in Russland als Informatikerin und Medienpädagogin gearbeitet. Ich habe eine eigene Methodik, eigenes Knowhow, ein eigenes Malprogramm und verschiedene weitere Projekte entwickelt. Meine Tochter hatte bereits das sprachliche Gymnasium abgeschlossen. Wir haben unsere Diplome zur Anerkennung nach Stuttgart geschickt, doch sie wurden nicht anerkannt. So mussten wir uns überlegen, wie wir jetzt weiter machen.

Meine Tochter sollte das deutsche Abitur machen. Deshalb sind wir nach Freiburg gezogen. Aufgrund der Lage des Gymnasiums meiner Tochter haben wir im Rieselfeld und in Weingarten nach einer Wohnung gesucht. Es war meine Tochter, die die Wohnung in der Krozinger Str. 7 gefunden hat. Sie  wollte wie in Russland in einem großem Haus mit vielen anderen Familien leben. Ich war am Anfang erschrocken, weil es dort  laut und schmutzig ist und man kaum richtiges Deutsch hört. Da habe ich mich gefragt: wie integriere ich mich überhaupt, wenn alle meine Nachbarn gar keine Deutschen sind? Wo finde ich Bekannte aus diesem Kreis, mit denen ich was zusammen unternehmen kann? Von wem lerne ich, wie die Leute hier ticken? Meiner Meinung nach war das nicht der richtige Ort, um sich in Deutschland zu integrieren.

Mitmachen dürfen ist schwer

Meine Tochter ist noch drei Jahre aufs Keppler-Gymnasium gegangen und hat dort ihr Abitur gemacht. Bei mir war es etwas komplizierter. Das Bildungssystem in Russland unterscheidet sich sehr von dem deutschen. Ohne meinen Abschluss konnte ich keine weiteren Fortbildungen oder ein Masterstudium anfangen. Ich musste mir etwas anderes überlegen. Über die Otto Benecke Stiftung, die auch Akademiker fördert, habe ich einige Maßnahmen absolviert: ein einjähriges wissenschaftliches Praktikum im Landesmedienzentrum in Karlsruhe, ein pädagogisches Praktikum und mehrere Sprachkurse.

Danach fühlte ich mich langsam etwas stärker und habe versucht, hier einen Job zu finden. Aber sehr schnell habe ich gemerkt, dass ich keine Chance habe! Manchmal bin ich überqualifiziert eingestuft worden, andererseits habe ich keinen in Deutschland anerkannten Uniabschluss. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, mich selbständig zu machen, weil ich trotzdem meine Kompetenzen, meine Erfahrungen und Ressourcen hier einbringen wollte.

Zu dieser Zeit hat Frau und Beruf ein von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt in Haslach-Weingarten angeboten: „Jetzt mach ich mich selbständig!“. Daran hab ich teilgenommen und wurde für eine Beratung ausgewählt, eine Begleitung meiner Selbständigkeit. Zusammen mit meiner Schwester habe ich ein kleines Unternehmen gegründet: ent-ra GbR (mein Anteil dabei: die Kunstsoftware & KreativeComputerSchule).

Außerdem hat vor etwa 1,5 Jahren das Büro für Migration und Integration einen Workshop in Weingarten initiiert. Thema war: Integration in Weingarten und Zukunftsplanung von Weingarten. Wie soll Weingarten in Zukunft aussehen? Wo sind die Ressourcen?
Am Anfang haben wir die Frage diskutiert: Wie verstehen die Leute den Begriff Integration? Es waren verschiedene Leute dort, nur ein ganz kleiner Teil von ihnen waren Immigranten. Alle anderen kamen von den Einrichtungen, die für Immigranten arbeiten. In dieser Runde habe ich gesagt: „Für mich bedeutet Integration: Weg aus Weingarten.“
Wir haben 1,5 Tage mit sehr intensivem Austausch verbracht. Dabei wurde klar: Diese Situation, dass jemand für uns arbeitet, nicht mit uns, führt nirgendwo hin. Die Leute fühlen sich fremd, wenn sie keine Möglichkeit haben teilzuhaben. Das gilt auch für mich. Ich kann unterrichten, ich kann meine Erfahrungen einbringen, aber ich will mitmachen! Ich will nicht, dass jemand etwas für mich macht. Nach dem Workshop war ich ermutigt, dass sich vielleicht doch etwas in Weingarten verändern könnte.

Als Selbständige war es am Anfang schwierig. Freiburg ist eine Kleinstadt. Innerhalb der Projekte, die laufen, kennen sich die Leute. Ich empfinde diesen Kreis als relativ geschlossen. Wenn man noch nicht bekannt ist, keinen deutschen Namen hat und sich auf Deutsch noch nicht perfekt ausdrücken kann, ist es sehr kompliziert reinzukommen. OK, zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon mit der Anne-Frank-Grundschule einen medienpädagogischen Preis 2009 gewonnen. Aber ich habe mich immer weiter fremd gefühlt… Durch dieses Projekt in Weingarten habe ich das erste Mal  Interesse an meiner Person gespürt.

Elena_Kinderprojekt
Elena Khramtsova bei der Arbeit

Meine Projekte

Im Rahmen „Stärken im Quartier“ leite ich jetzt einen Computerkurs für Frauen. Das Projekt läuft sehr gut, weil die Frauen einen ähnlichen Hintergrund haben wie ich selbst. Dadurch entsteht schnell Vertrauen zwischen uns. Da kann ich auch als Medienpädagogin und Informatikerin viel mehr vermitteln. Ich weiß, wie man mit Sprachschwierigkeiten über visuelle Wahrnehmung viel lernen und Ängste abbauen kann. Einige Frauen waren schon bei anderen Kursen, aber haben dort nichts gelernt, weil Dozenten, für die Deutsch ihre Muttersprache ist, diese Besonderheiten nicht kennen.
Am Anfang konnten viele kaum eine Maus bewegen und jetzt sind sie so fit und die ganze Welt steht ihnen offen. Sie können mit den Leuten aus ihrem Land kommunizieren, die Texte übersetzen und fühlen sich ein bisschen freier und stärker. Das bringt mir auch positive Energie zurück, wenn ich sehe, wie die Augen strahlen und dass die Leute keine Angst mehr vorm PC haben.

Ein anderes Projekt, das ich im Moment durchführe, ist eine interkulturelle Medien-Märchenwerkstatt für Kinder und Eltern. Wir sind auf der Märchenweltreise. Es sind drei Grundschulen in Freiburg beteiligt: die Adolf-Reichwein-Schule in Weingarten, die Lortzing-Schule im Stühlinger und die Albert-Schweitzer-Schule in Landwasser. Ein Großteil der Schüler hat einen Migrationshintergrund. Die Idee ist, dass auch Eltern und Großeltern Märchen aus der eigenen Heimat in dieses Projekt einbringen. Wir lesen und hören die Märchen, malen Bildillustrationen, machen einen kleinen Trickfilm und dann präsentieren wir die Märchen vor allen anderen Kindern in der Schule und hoffentlich auch in der Stadt.

Ich finde, wenn wir die eigenen Wurzeln verstehen und schätzen, trennt uns das nicht von der deutschen Kultur, sondern umgekehrt: das ist unser eigener Teil, den wir mitbringen wie einen Märchenschatz, einen Koffer. Das ist auch ganz wichtig für Eltern, die bei dem Projekt mitmachen. Manche sprechen kaum Deutsch, aber über dieses Projekt bringen sie etwas ein. Wir machen auch ein richtiges Buch und wenn sie das in der Hand halten und sehen: Das ist mein Beitrag für das Freiburger Märchenbuch, entsteht das Gefühl, auch Freiburger zu sein. Das ist ganz wichtig fürs Selbstbewusstsein und es bringt uns zueinander.

Elena_Kinderprojekt

Zugehörigkeit

Zugehörigkeit bedeutet für mich, dass das, was ich in mir habe – meine Gedanken, meine Gefühle, meine Kenntnisse, meine Ressourcen –  auch andere brauchen und gerne annehmen. Ich bin kein passiver Mensch, kein Zuschauer. Deshalb bedeutet Zugehörigkeit für mich, dass ich teilhabe: ich mache mit.

Es gibt auch Orte, wo das funktioniert: in der Adolf-Reichwein-Schule, in verschiedenen Maßnahmen, die in Weingarten laufen, den vielen verschiedenen Aktionen im Mehrgenerationenhaus EBW. Da kommen verschiedene Menschen, nehmen aktiv teil und auch die Kommunikation läuft auf verschiedenen Sprachen. Endlich darf die Muttersprache auch eine Rolle spielen und wird auch geschätzt. Als ich hierher gezogen bin, war meine Nichte in der Grundschule. Bei den Gesprächen mit den  Lehrerinnen hieß es immer: „Nur Deutsch“. Ich habe in meinen Projekten beobachtet, dass in vielen russischen Familien die Kinder kein russisch mehr können. Das ist schade! Denn es ist auch ein Schatz, zwei, drei Sprachen zu können! Die Kinder lernen das ganz leicht und sie sind unsere Zukunft! Sie bauen die Brücke zwischen verschiedenen Nationalitäten und Ländern.“

Im Juli 2013 sind wir mit den Kindern und Eltern von drei Freiburger Grundschulen aus unserer Märchen-Welt-Reise  zurück. Wie haben 48 Märchen von 29 Länder und Ethnien gesammelt und mit schönen Bildern am PC illustriert. Alle sind herzlich einladen, die Internetseiten unseres Märchenbuches unter www.maerchenbuch.ent-ra.de  zu besuchen! 

Was jetzt bei mir los ist, kann man auf meiner Seite www.ent-ra.de  Kunstsoftware & KreativeComputerSchule sehen. Ein neues Projekt ist eine Online-Plattform für kreatives Malen (www.brushlet.com) – das Malprogramm, welches ich bereits in Russland entwickelt habe

 

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