Audioguide Weingarten

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Leben und studieren in
Weingarten

notenVom Bodensee nach WG
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notenWeingartens Charme und Harm
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notenDas Stadtteilradio
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Die Kulturinitiative

notenDie Kulturinitiative
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notenEine (un)geliebte Kunstperformance
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notenAlpenkühe auf Häuserwänden
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notenDer HipHop-Contest
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notenEin Glasdach aufs Hochhaus
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notenDas Weingärtner Wolkenkratzerwochenende
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Mitreden:

notenDie Geschichte von Thomas Armbruster
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notenSanierung und Bürgerbeteiligung
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notenRazzien im Auggener Weg
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Lieblingsorte

notenDer Drachenberg
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notenDer Edeka
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notenDas EKZ nach Sylvester
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notenDas Schwimmbad auf dem Dach
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Textfassung der Audiodateien

„Wir haben versucht,
den Orten eine neue Bedeutung zu geben“

Clemens Hauser

… wurde 1962 am Bodensee geboren und lebte zwischen 1987 und 2004 in verschiedenen Wohngemeinschaften in Weingarten. Das Studium der sozialen Arbeit und die Neugier auf das "reale Leben" jenseits der Freiburger Bächle hat ihn nach Weingarten gelockt. Mittendrin statt nur dabei hieß: Durchführung des Radio Dreyeckland-Projekts Stadtteilradio Weingarten, Beteiligung an Arbeitskreisen zur Sanierung Weingarten-Ost, Food-Coop und aktive Mitarbeit bei der Intitiative für kulturelles Zusammenleben in Weingarten e.V. . 2004 stellte er sich der kulturellen Herausforderung und zog von Weingarten in die Wiehre.
Im Interview erzählt er von verrückten, erfolgreichen und weniger gelungenen kulturellen Aktionen, was man mitbekommt, wenn man mit einem Mikrophon durch die Straßen läuft und den Grenzen der Bürgerbeteiligung im Stadtteil.

Vom Bodensee nach Weingarten

Ich bin nach Freiburg gekommen, um Soziale Arbeit zu studieren und die Evangelische Fachhochschule liegt in Weingarten. Aber auch sonst war Weingarten für mich eigentlich der interessanteste Stadtteil in Freiburg, weil es ein normaler Stadtteil war. Im Vergleich zum restlichen Freiburg, wo die Bächle fließen, hatte ich in Weingarten immer das Gefühl: hier ist mehr reales Leben.
Es hatte auch was mit meinem Studium zu tun, denn was mich immer am meisten interessiert hat, war die Stadtteilarbeit, die Gemeinwesenarbeit. Und Weingarten war der Stadtteil, der sich für Gemeinwesenarbeit anbot.

Dieses Studium war die eine Sache, die mich täglich nach Weingarten geführt hat, aber ich wollte auch in Weingarten wohnen. Ich habe erst in der Krozinger Straße gewohnt, dann im Rohrgraben und dann noch mal 14 Jahre in der Laufener Straße. So habe ich verschiedene Ecken im Stadtteil kennen gelernt und es ist auch mein Stadtteil geworden. Ich habe mich in Weingarten zuhause gefühlt – habe da gewohnt, gelebt, meine Tochter ist dort zur Welt gekommen, hat 14 Jahre ihres Lebens dort verbracht. Insofern gab es viele Verbindungen zum Stadtteil.

Lieblingsorte

Einer meiner Lieblingsorte war auf dem Drachenberg ein Baum, wo ich mit meiner Tochter öfters geklettert bin. Da konnte man sich's gemütlich machen und runter gucken. Erstaunlicherweise war da auch nie so viel los und im Winter konnte man Schlitten fahren. In dem Hochhaus, wo ich am längsten gewohnt hab, in der Laufenerstr. 14, da gab es im 16. Stock ein Schwimmbad. Das ist sowieso der Hit, da zu schwimmen! Da konnte man über Weingarten gucken und wenn man raus gegangen ist auch über Freiburg und den Kaiserstuhl, das war sehr schön.

Laufener Die Laufenerstr. 14
Ganz oben rechts kann man ins Schwimmbad reingucken

Was ich oft erlebt hab, und was mich beim ersten Mal richtig beeindruckt hat, war der Tag nach Silvester. Wenn man am 1. Januar ins Einkaufszentrum geht, hat man das Gefühl, man läuft auf einem Teppich. Es ist sehr weich und alles gedämpft und das liegt daran, dass im EKZ ganz viele Kracher in die Luft geschossen wurden. Das hat man natürlich auch gehört –  es war besonders laut in Weingarten. Am nächsten Tag war das EKZ übersät von den Überresten, diesen Papierumwicklungen. Du bist nur noch auf diesem Papier gelaufen und das war wie ein Teppich, ganz weich.

Im Edeka gab's ein paar Kassiererinnen, die ein richtig gutes Verhältnis zu den Leuten da hatten. Manchmal war der Umgangston relativ rau, aber die hatten ein richtig gutes Feeling und haben sich gut mit den Leuten verstanden. Also ein Tante Emma Laden hätte nicht ein wärmeres Zuhausegefühl geben können, als die zwei Frauen, die da richtig locker mit den Leuten ein Schwätzchen gehalten oder nen Scherz gemacht haben.

Ich fand's manchmal schwierig, wenn versucht wurde, den Stadtteil besser darzustellen als er ist oder so zu tun als gäbe es im Stadtteil keine Probleme – als ob nicht Jugendliche tatsächlich von irgendwelchen kleinen Gangs angemacht oder erpresst oder zusammengeschlagen würden. Solche Situationen haben ich und meine Tochter zwar nicht erlebt, aber die gab's. Das weiß ich von Freunden und ihren Kindern. Und wenn da zu sehr getüdelt wurde, dass die Leute alle so toll miteinander umgehen, weil man eben von diesem schlechten Image weg wollte, fand ich das manchmal ein bisschen übertrieben.

Andererseits habe ich mir auch in anderen Städten Hochhaussiedlungen angeguckt, weil ich neugierig war, wie die Leute in Köln oder Chicago mit ihren Themen im Hochhaus umgehen oder wie sie Bewohnerversammlungen organisieren. Und da habe ich gemerkt, dass es in Weingarten ein ziemlich gutes kulturelles Zusammenleben gibt, dass es viele Leute gibt, die irgendwie versuchen einen Buchladen am Laufen zu halten, die eine kleine Kneipe in der EBW aufrechterhalten, eine Foto-AG, Frauengruppe oder ein Stadtteilradio. Da hat Weingarten schon seinen Charme und es findet ein ziemlich aktives Kulturleben statt.

Dass ich den Stadtteil so mag, hängt sicher auch damit zusammen, dass ich in einer schönen Gegend – am Bodensee – groß geworden bin. Freiburg ist auch eine schöne Stadt. Möglicherweise fände ich das nicht so spannend, wenn ich in den Hochhäusern geboren und groß geworden wäre. Das war einfach eine andere Perspektive, neu für mich und das hat mich viel mehr interessiert als andere Stadtteile. Und das ist natürlich auch einfacher, wenn man relativ mobil sein kann. Ich hätte jeder Zeit auch wegziehen können. Für andere Leute ist das schwieriger, weil sie keinen anderen Wohnraum finden, weil es tatsächlich billiger ist in Weingarten. Die sind dann nicht in einer so privilegierten Lage wie ich es bin.

Das Stadtteil-Radio

Natürlich wollt ich nicht nur in Weingarten leben, sondern auch mitmischen. Der Einstieg war eigentlich das Stadtteil-Radio. Ich habe seit Ende der 80er Jahre bei Radio Dreyeckland mitgemacht. RDL hat ziemlich kurz nach der Legalisierung ein Projekt unternommen, um in die Stadtteile rauszugehen und ganz besonders nach Weingarten. Das war Anfang der 90er Jahre und ich habe mich angeboten mit einer Kollegin vom Gruppenradio zusammen das Projekt durchzuführen. Dieses Stadtteil-Radio hat mich mit vielen Themen in Kontakt gebracht. Es ging darum, die Leute zu aktivieren bei dem Radio mitzumachen und raus zu finden, was die Themen im Stadtteil sind: Was ist wichtig für die Leute? Wer wohnt da überhaupt? Warum wohnen die Leute da? Wie wohnen sie? Und so hab ich viele Leute kennen gelernt, die Radio mitgemacht haben und die von ihrem Leben und ihren Eindrücken erzählt haben. Ein wichtiger Anlaufpunkt Anfang der 90er war das Stadtteilbüro, das da neu eingerichtet worden ist und das auch viel Schwung in den Stadtteil reingebracht hat. Ursprünglich war gedacht, dass wir ein mobiles Studio im Stadtteil-Büro selber haben, das hat aber leider nicht geklappt. Aber das Radio war der Anfang, tiefer in den Stadtteil einzusteigen.

Laufener Werbeflyer

Razzien im Auggener Weg

Als ich für's Stadtteilradio Interviews gemacht hab, bin ich oft durch den Stadtteil gezogen. Einmal ist mir eine ältere Frau, die auf dem Weg nach Hause in den Auggener Weg war, begegnet. Sie hat mir von ihrer Kindheit erzählt – dass sie im Konzentrationslager war – und hat mir ihre Tätowierung mit der Nummer vom Konzentrationslager gezeigt.  Das war für mich ein unglaublicher Moment. Da steht dir jemand gegenüber, die diesen Nazi-Terror erlebt hat, da steht die Person, die das durchgemacht hat – plötzlich war das sehr real. Umso unverständlicher ist es für mich, wie die Polizei oft mit den Sintis umgegangen ist. Ich habe ein paar Situationen bei den Sintis mitbekommen, wo die Polizei Razzien gemacht hat. Sicher gibt es da auch Kriminelle, wie anderswo auch, aber der Respekt gegenüber den Leuten im Auggener Weg ist sehr gering. Ich habe eine Sendung gemacht über so eine Razzia im Auggener Weg, wo die Leute erzählen, mit welcher Brachialgewalt die Polizei da mit Helmen in die Wohnungen eingedrungen ist. Das fand ich schon sehr schockierend, auch vor dem Hintergrund, dass die Leute, die so einen Überfall erleben müssen zu einer Familie gehören, deren Elterngeneration zum Teil den Nazi-Terror nicht überlebt hat.
Aber die Sintis haben sich auch abgegrenzt gegenüber den Roma, den Flüchtlingen, denn sie waren ja die Sintis, die nen deutschen Pass haben. Also da gab's auch wieder Abgrenzungen gegenüber denjenigen, die in der Hitliste noch schlechter da stehen.

Die Kulturinitiative

Außerdem habe ich mich an der Kulturinitiative beteiligt – der Initiative für Kulturelles Zusammenleben in Weingarten e.V.. Die Initiative stellte eine Art Kontrapunkt zum traditionellen Bürgerverein dar. Sie wollte die Leute im Stadtteil zum Mitmachen aktivieren und für eine andere Kultur öffnen. Weingarten selbst ist ein neuer Stadtteil. Es gab keine gewachsenen Strukturen, keine Vereine, am Anfang gab's nicht mal Geschäfte – nur die Hochhäuser. Das hat sich erst langsam entwickelt. Natürlich hat sich auch ein klassischer Bürgerverein in Weingarten gebildet, der ist aber eher bürgerlich konservativ gewesen. Mit dem Stadtteilbüro und der Gemeinwesenarbeit sind auch Leute in das aktive Leben im Stadtteil eingetreten, die nicht so traditionell bürgerlich Kultur vermitteln wollten oder den Stadtteil vertreten, sondern mehr die Leute aktivieren und mehr kritische Stimmen im Stadtteil hochkommen lassen, die sonst nicht so vorkommen.
Man kann an den Aktivitäten ablesen, was den Unterschied ausmacht. Aber wir haben auch mit dem Bürgerverein zusammengearbeitet, z.B. bei dem ersten  großen Fest – das war das Weingärtner Wolkenkratzerwochenende. Im Mittelpunkt stand, die Leute zu aktivieren mitzumachen, also den Stadtteil selber zu gestalten, zu sehen, was interessiert die Jugendlichen im Stadtteil und was sind die Themen der Alten. Es ging auch darum, die Identität des Stadtteils zu schärfen, dass die Leute zu dem Stadtteil stehen können, dass sie eine Identität in ihrem Stadtteil finden. Weil für viele war das immer ein bisschen unangenehm, zu sagen, wir kommen aus Weingarten, wir wohnen in der Krozinger Straße. Auch bei den Bewerbungen sah das schlecht aus, besonders bei den Jugendlichen. Der 12er-Bus, der nach Weingarten rausgefahren ist, hatte den Spitznamen Ghetto-Express: das sind die, die nach Weingarten gekarrt werden.

1991 Strafex
Umzug beim Weingärtner Wolkenkratzerwochenende

Also der Stadtteil hatte einen schlechten Ruf und es ging auch darum, dass der Stadtteil sagen kann: wir sind so, wie wir sind. Wir haben aber auch ein gutes Verhältnis untereinander, wir kümmern uns umeinander, wir lassen keinen Keil zwischen Migranten und Nicht-Migranten treiben und wir sind auch neugierig auf uns gegenseitig, auf den Stadtteil und auf Kunst und Kultur. Deshalb war bei dem ersten Fest dieses „Spiel ohne Grenzen“ wichtig. Damit haben wir versucht, dass Leute, die im Stadtteil wohnen, arbeiten oder studieren, gemeinsame Teams bilden und als Gruppe auftreten zu Themen, die auch im Stadtteil interessant sind und dabei auch ihren Spaß haben.
Wir haben versucht Themen aufzugreifen, die für die Jugendlichen aktuell waren, was nicht so oft gemacht wurde, weil viele gleich Angst hatten, dass was passiert. Wir haben da ein bisschen rum experimentiert.

Wenn man Freiburger auf der Straße fragen würde, „was fällt Ihnen spontan zu Weingarten ein?“, dann kommt ganz sicher Hochhäuser und vielleicht viele Ausländer. Auf jeden Fall gibt es eine Reihe negativer Assoziationen und alle haben was mit Hochhäusern und sozialem Wohnungsbau zu tun. Aber diese Höhe der Hochhäuser ist nicht nur etwas Negatives, sondern sie kann ja auch was Positives haben. Es ist ein kleines Dorf auf einer relativ kleinen Fläche. Da kann es auch ne gute Kommnunikation geben, wo man sich auch kennt – das ist nicht automatisch ein anonymer Klotz. Die Krozinger Straße 52 oder 54 ist, soweit ich weiß, das zweitgrößte Gebäude nach dem Münster. Bei den Gesprächen zur Sanierung in Weingarten gab es verschiedene Vorschläge, wie man die Hochhäuser umgestalten kann und wir hatten die Idee: Warum kann man nicht auf das höchste Hochhaus in  Freiburg ein glitzerndes Dach drauf machen mit einer Bar, einen Glaslift außen hoch, dass man Lust hat, da hoch zu fahren und Freiburg von oben zu sehen? Der Vorschlag wurde auch von einem Architekturbüro umgesetzt, sodass man sich das vorstellen konnte. Dann ist er aus Kostengründen natürlich im Keller verschwunden, aber es hätte dem Selbstbewusstsein des Stadtteils einen Schub gegeben und wäre ein Symbol gewesen, dass die Hochhäuser nicht nur etwas Negatives sind.

Ein Experiment, was wir gemacht haben, war eine Art Open-Air-Kino. Was typisch ist für die Hochhäuser, sind diese großen grauen Flächen. Wir kannten einen Dia-Profi, der Dia-Shows gemacht hat und haben ihn gefragt, ob man diese Shows mal Nachts auf die Hochhäuser werfen kann. Wir haben zwischen den Hochhäuser drei Diashows gezeigt. Die eine war mit Alpenbilderkühen, das war sehr lustig, diese Kühe mit ihren wackelnden Ohren auf den Hochhäusern zu sehen. Durch dieses Licht hatte man plötzlich ein ganz anderes Gebäude vor sich. Ich fand es sehr schön, in einer lauen Sommernacht, sich eine schöne Diashow mit Musik anzugucken. Aber nicht alle Weingärtner waren so hellauf begeistert. Manche waren ein bisschen genervt, dass so viele Leute vor ihrem Haus waren und Musik lief und am Ende hat dann tatsächlich jemand was vom Fenster runter geschmissen und sich beschwert. Das gehört dann auch dazu. Das haben wir auch an anderen Stellen erlebt, aber trotzdem waren das schöne Momente, wo man  sieht, der Stadtteil ist mehr als diese Betonburg.

Eine andere Sache waren zwei Kunstaktionen zwischen den Hochhäusern. Es gab einen italienischen Aktionskünstler, RoccoTuno, der sehr experimentelle Sachen mit Licht und Ton gemacht hat. Der wollte eine Installation zwischen den Hochhäusern machen, auf dem Parkdeck zwischen der Krozinger Str. 78 und 54, wo der kleine Hügel ist. Der Rocco hat da Stehlen in einem Kreis aufgestellt und darauf technische Geräte postiert: alte Fernseher, Diaprojektor, Telefon usw.. Es lief Musik und er hat was dazu erzählt.
Die Idee war: wenn die Weingärtner nicht zur Kunst gehen, dann geht die Kunst zu den Weingärtnern. Die Leute mussten sich nur auf den Balkon hängen und gucken,was da unten los ist. Da haben auch viele runter geguckt. Es wurde bloß ein bisschen schwierig, als der Rocco angefangen hat, diese technischen Geräte abzufackeln. Das passiert sonst ja auch mal, dass ein Auto abgefackelt wird und dann am Ende der Krozinger ewig steht und ist normalerweise nicht so erwünscht. Dass da jetzt einer auf ihre Wiese kommt, so komische Aktionen macht und das auch noch Kunst sein soll, das hat nicht so viel Begeisterung ausgelöst.

Auf diesem Hügel, wo es runter geht, da haben wir im Sommer im Rahmen einer Spielaktion auch zwei Mal Seifenrutschen ausgelegt, wo die Kinder dann runterrutschen konnten.Wir haben versucht, die Orte ein bisschen umzudeuten, ihnen eine andere Bedeutung zu geben.

Eine Sache, wo ich eine gute Erfahrung mit den Jugendlichen, konkret mit den Sinti-Jugendlichen gemacht habe, war ein Hip Hop-Festival, was wir im Stadtteil gemacht haben. Wir hatten einen Competition für Breakdance und Hip Hop ausgeschrieben. Es gab verschiedene Gangs in Freiburg, die Blauen und die Roten, und bei dem Competition war klar: ob Gang oder nicht,wer gut tanzt hat gewonnen, das ist ein fairer Wettbewerb. Wir hatten Prominente eingeladen, die auch Autorität in der Szene hatten: die Breakdance-Weltmeisterin aus Basel, die auch vorgetanzt hat und eine HipHop-Band aus Haslach mit relativ krassen Texten – BOA, Bunch of Ausländers. Und dann ging's ums Tanzen. Der Preis war ein Workshop bei der Breakdance-Weltmeisterin.
Es hatten sich viele Jugendliche angemeldet, und wir hatten Sorge, ob wir das im Griff haben, wenn es Konflikte gibt. Ich habe dann ein paar von den Sinti-Jugendlichen gefragt,ob sie uns unterstützen würden und als Türsteher fungieren, weil ich dachte, wenn es die eigenen Leute sind, ist es schwieriger, die Hürde zu nehmen, als wenn wir nen Sicherheitsdienst engagieren würden. Und es sollte auch unsere Sache sein im Stadtteil. Die waren bereit, das zu machen.
Die EBW, wo der Wettbewerb stattfand, war brechend voll. Die Vorführungen sind sehr gut gelaufen. Dann wurde danach noch getanzt und dann gab's tatsächlich Streit und es war klar, dass es eskalieren  könnte und wir nicht viel zu melden hätten, wenn wir uns einmischen würden. Dann ist einer der Jugendlichen, die wir als Ordner engagiert hatten dazwischen gegangen. Das Interessante war, dass einer von denen, die am Konflikt beteiligt waren, ein Cousin von ihm war. Der hat gleich den Ordner aufgefordert, der solle sich raus halten, er hätte hier was zu regeln. Aber der Ordner hat sich davon gar nicht beeindrucken lassen und hat seine Rolle durchgezogen, hat seinen Cousin da raus gezogen und später auch riesen Krach mit dem gehabt, aber es gab keinen Stress.
Das ist für mich auch ein Beispiel dafür, dass es richtig ist, Sachen auszuprobieren, die auch schief gehen können und die Leute im Stadtteil zu integrieren und nicht irgendwas dahin zu setzen, sondern so gut wie möglich, die Jugendlichen und die Leute, die Interesse haben, einzubinden.

Die Geschichte von Thomas Armbruster

In Binzengrün, wo die Straßenbahn gebaut wurde, wurde sozusagen ein neuer Platz geschaffen. Und da ging es auch darum: welchen Namen bekommt dieser Platz? Ein Stück unterhalb dieses Platzes, im Rohrgraben, hat der Thomas Armbruster gewohnt. Thomas Armbruster war Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), überzeugter Christ, Personalvertreter beim Arbeitsamt und er war sehr aktiv im Stadtteil – er war im Mieterbeirat, hat sich bei Veranstaltungen eingebracht, selbst Sachen organisiert hat und für einzelne Mieter deren Rechte erfochten. Er war eine sehr aktive Persönlichkeit im Stadtteil, der trotz dieser DKP-Zugehörigkeit allgemein anerkannt war.
Etwa ein Jahr vor der Platzbenennung war er bei einem Fahrradunfall im Elsass ums Leben gekommen. Und da stand die Idee im Raum, den Platz nach Thomas Armbruster zu benennen und dieses Bürgerengagement dadurch zu würdigen. Ich fand das eine super Idee, weil er auch eine Person war, die nicht eindeutig in eine Schublade zu stecken ist.

Liefmann mit Frau
Heute: Else-Liefmann-Platz

Es gab dann eine Bürgerversammlung im Jugendzentrum mit Baubürgermeister Sternberg, die sehr gut besucht. Dort haben sich viele dafür ausgesprochen, dass der Platz nach Thomas Armbruster benannt wird. Auch in anderen Stadtteilen werden ja Straßen oder Plätze nach verstorbenen Persönlichkeiten aus dem Stadtteil benannt – das hätte absolut Sinn gemacht. Aber die Stadt wollte das nicht, weil sie nicht einen Platz nach einem Kommunisten benennen wollte und hat sich mit Händen und Füßen gewehrt. Perfider weise hat die Verwaltung dann selbst einen Namen vorgeschlagen und in Konkurrenz zum Thomas Armbruster gebracht: Else Liefmann. Das war eine jüdische Ärztin aus Freiburg, die von den Nazis umgebracht wurde. Und das ist natürlich eine fiese Methode, denn so waren die Leute, die für Thomas Armbruster waren, gegen einen Frauennamen und gegen ein KZ-Opfer.
Der Platz heißt heute Else-Liefmann-Platz, was ja in Ordnung ist, aber der hätte auch im Rieselfeld oder in der Vauban sein können und nicht an dem Platz, wo es einen konkreten Vorschlag aus der Bürgerschaft gab, der auch inhaltlich Sinn gemacht hätte. Das war eine der vielen Erfahrungen mit der sogenannten Bürgerbeteiligung in Weingarten, die nach außen gut aussehen soll, aber wenn es dann unangenehm wird, ist diese Bürgerbeteiligung oft nicht viel wert.

Was denkt WG
Was meint Weingarten? Plakat am Else-Liefmann-Platz

Bei der Sanierung in der Krozinger Straße hab ich in relativ vielen Versammlungen erleben dürfen, dass die Vertreter der Stadt große Mühe hatten, die Vorschläge der Bürgerschaft aufzunehmen, wenn sie nicht nach ihren Vorstellungen waren. Manchmal ging's gar nicht ums Geld. Vielleicht war das für die Leute vom technischen Rathaus oder der Stadtbau auch neu, zu akzeptieren, dass es da andere Meinungen gibt und dass die auch berücksichtigt werden sollten. Obwohl die Bewohner in Weingarten eigentlich den längeren Atem haben müssten, hatten sie nicht immer die Erfahrung, wie man in solchen politischen Prozessen seine Interessen durchsetzt. Die Bewohner wussten nicht genau, wie man gegenüber der Stadtbau agiert und richtig in den Konflikt reingeht. Für die Stadtbau war es auch schwierig. So ein bisschen Beteiligung fanden sie schon gut, denn je mehr man selber den Wohnort annimmt, desto geringer sind Beschädigungen, aber es sollte nicht den Preis haben, dass da was anderes bei rauskommt, als sie sich vorgestellt haben.

Das Interview führte Anna Trautwein am 28.06.12

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